„Riga quod est aridum“ – „Dürrem gieße Leben ein“ –

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Im Evangelium nach Johannes sagt Jesus: „Gott ist Geist und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten“ (Joh 4,24). Gott ist Geist, der von Anbeginn die ganze Schöpfung durchströmt (vgl. Gen 1,1). In seinem Geist hat Gott zu allem, was ist, unmittelbar Beziehung. In seinem Geist ist er allem unmittelbar gegenwärtig, so dass man sagen kann: Der Heilige Geist ist der Atem allen Seins, der Atem der Schöpfung. Von daher berührt der Geist Gottes den Menschen bringt ihn zu sich selbst und führt ihn über sich selbst hinaus. Glaube, Hoffnung und Liebe – man nennt sie “göttliche Tugenden“ – sind gleichsam die Herzschläge des Geistes Gottes, der im Menschen wirkt.

In der Pfingstsequenz “Veni Sancte Spiritus“ (“Komm, Heiliger Geist“ – Gotteslob Nr. 343 und 344), die Stephen Langton (ca. 1150 – 1228) zugeschrieben wird, heißt es: „(…) riga quod est aridum“ – „bewässere, was trocken ist“ oder, so im Gotteslob, „Dürrem gieße Leben ein“. Im „Veni“ („Komm“), das die ganze Sequenz durchzieht, drückt sich die Sehnsucht des Menschen aus: herauszukommen aus Enge, Fesseln und Erstarrung. Es ist kein müdes, sondern ein leidenschaftliches „Veni“, mit dem hier gerufen wird. Wer diese Sehnsucht erfahren hat und erfährt und zugleich das eigene Unvermögen, wird die Pfingstsequenz „in der Wahrheit“ (Joh 4,24) beten können.

„Riga quod est aridum“. Hier geht es um die Erfahrung, dass das Leben versiegt. Die Erfahrung der Erstarrung, Unfruchtbarkeit und Dürre. Im persönlichen wie auch im großen Bereich einer Gemeinschaft und Gesellschaft. Wie schnell folgt dem Aufstieg und dem Rausch des Erfolgs – immer mehr, immer weiter, immer höher – die Erfahrung der Brüchigkeit. Erstarrung, Unfruchtbarkeit und Dürre haben viele Erscheinungsformen. Wenn eine Idee oder Vision zwar einen selbst und andere begeistert, aber nicht über die Rhetorik hinauskommt. Wenn Geschäftigkeit den einzelnen und eine ganze Gemeinschaft begeistern und herumtreiben kann, letztlich aber keine bleibenden Werte zum Ausdruck bringt oder stiftet. Wenn die Perspektive, das Erleben und die Gestaltungskraft einer ganzen Gemeinschaft, einer ganzen Gesellschaft aus lauter Pragmatismus nicht mehr über das Tagesgeschäft hinausreicht und eine Generation sagt: „Für uns hat es gepasst. Für uns wird es noch reichen. Was dann kommt, geht uns nichts mehr an.“ Und schließlich gibt es die Erfahrung der persönlichen Dürre: in der Gestaltung unseres inneren und äußeren Lebens, in der Wahrnehmung unserer Mitwelt, in der Beziehung zu Gott.

Dass es eben auch Zeiten allgemeiner Ermüdung und Erschöpfung gibt, reicht als Erklärung nicht aus. Denn demgegenüber steht die Erfahrung: Es gibt eine Sehnsucht und eine Werthaftigkeit, auch eine Fruchtbarkeit, die über solche Zeiten hinausragt. Das eigentlich Schöpferische fehlt oder zeigt sich im dreifachen Verhältnis des Menschen zu sich selbst, zu seiner Mitwelt und zu Gott. Wenn der Mensch in eine Verfassung geraten ist, wo er gegenüber dem abstumpft, was ihn zuinnerst anspricht und berührt, ergreift und bewegt, existiert er als Verzerrung seiner selbst, existiert er gewissermaßen als seine eigene Karikatur: Die inneren Quellen versiegen, Sand und Gestein breiten sich aus und legen sich allmählich über fruchtbares Land.

„Riga quod est aridum.“ Im Buch Jesaja heißt es: „Denn der Herr hat Zion getröstet, getröstet all ihre Ruinen. Er machte ihre Wüste wie Eden und ihre Öde wie den Garten des Herrn“ (Jes 51,3). Das babylonische Exil des Volkes Israel mit seinen bedrohlichen Folgen konnte Zions Wasserreichtum nicht vernichten. Zion ist das Bild für die Mitte des Segens Gottes (vgl. Ps 14,7). Unsere Wüsten müssen bestanden werden. Sie können im Glauben bestanden werden, nicht im Sinne eines verzweckten Optimismus („Das wird schon wieder“), sondern aus der Erinnerung des Glaubens heraus, dass Gott uns die Quellen erschließt, die das Wüstenland in ein fruchtbares Land verwandeln. Der Sinn des Menschen für das, was ihn in seiner Existenz zutiefst anspricht und berührt, der Sinn für das Heilige, weist den Weg zu den Quellen. Wenn man nicht weiter als Karikatur seiner selbst existieren will, genügt es nicht zu warten bis scheinbar wieder alles in Ordnung ist, bis alles wieder seine (“neue“) Normalität hat. Der Weg zu den Quellen muss aktiv gegangen und gestaltet werden. Um den Preis der harten Auseinandersetzung mit der Wüste und – die frühen Mönche würden ergänzen – mit ihren Dämonen. Die Befreiung aus der Wüste, die Lösung aus Fesseln und Erstarrung hat mit dem zu tun, was wir zu Ostern und fünfzig Tage danach gefeiert haben: die Erlösung des Menschen. „Riga quod est aridum.“ Geben wir uns keiner Illusion hin: Befreiung bedeutet einen schmerzhaften Vorgang. Und zugleich ist sie Neuwerdung, wenn sich die Quelle ihren Weg durch die Wüste bahnt und zum Fluss findet. Das ist das Wirken des Heiligen Geistes.

 

Gregor Schwabegger OCist