Predigt zum Gründungstag des Stifts am 12. März 2021 von Abt German

Liebe Mitbrüder!
Wir alle wissen es: Am 12. März 1273 sind die Zisterzienser, aus Kaisheim kommend, hier in Stams eingetroffen. Und heuer sind es genau 750 Jahre, dass im Jänner 1271 im Konventkapitel in Kaisheim die Bitte des Grafen Meinhard von Tirol und seiner Gemahlin Elisabeth, zur Gründung eines Klosters Mönche nach Stams in Tirol zu schicken, besprochen und der Bitte stattgegeben wurde. In der Folge wurden 12 Patres und 5 Brüder ausgewählt, an dieser neuen Zisterze bei der Johanneswallfahrt in Stams, das monastische Leben zu beginnen.
Der Grund war ein zweifacher: Zum einen sollte ganz nach dem Willen von Elisabeth das Kloster ein Ort des Gebetes für und des Gedenkens an ihren Sohn Konradin sein, den letzten Sprössling aus der Dynastie der Staufer. Zum anderen sollte dieses Kloster Begräbnisstätte werden für die Grafen von Tirol und ihre Familien, ganz nach dem Willen Meinhards. Schließlich war die Hausgruft auf Schloss Tirol zu klein geworden und sie war nach der Meinung Meinhards nicht repräsentativ genug. Dieses Vermächtnis wurde an diesem Ort und in diesem Kloster nun 748 Jahre lebendig gehalten.
Leben ist nie linear! In jedem Menschenleben gibt es ein Auf und Ab, es gibt Wege und Umwege und so ist es auch im Leben eines Klosters: Zeiten der Blüte und Wüstenzeiten wechseln einander ab. Was aber alle Generationen verbindet ist das Bemühen, im Dienst Gottes treu zu sein, zur Ehre Gottes in feierlicher Weise zu beten und im gemeinsamen Leben nach den evangelischen Räten Zeuge Gottes in der Welt zu sein: denn ein Kloster ist Gottes Zelt auf Erden, verborgen ist er da / in menschlichen Gebärden bleibt er den Menschen nahe. Und das ist auch heute unsere Berufung: Aus Gottes Gnade zu leben und für ihn Zeugnis zu geben. Und das können wir nur in einer
lebendigen Beziehung mit Gott, denn, wie der Psalmist sagt: Aus Gottes Gnade bin ich, was ich bin.
Wir alle haben uns in den Dienst der Berufung gestellt und wir gehen unseren Weg im Vertrauen auf die Nähe Gottes und so ist es unbedingt notwendig, dass unsere Beziehung zu Gott lebendig ist und immer wieder von neuem Leben erfüllt wird.
Wir alle wissen aus eigener Erfahrung: Auch im Kloster kommt es gelegentlich zu Müdigkeit, Oberflächlichkeit, zu einer gewissen Routine und oft auch zu einer gewissen Fixierung auf Äußerlichkeiten. Um das zu vermeiden, ist es immer wieder notwendig, dass wir der Aufforderung des Propheten Hosea in der heutigen Lesung Folge leisten, wenn es da heißt: „Kehr um, Israel, zum Herrn, deinem Gott!“ Kehr um zum Herrn und sag zu ihm „Nimm alle Schuld von uns und lass uns Gutes erfahren“.
Nach diesem Guten sollen wir immer streben, wir sollen einander Gutes wünschen, denn schön ist es, wenn Brüder in Eintracht beisammen sind. Doch auch im Kloster kann es zu Zerwürfnissen kommen, die ein Störfaktor sind für ein in der göttlichen Liebe begründetes Gemeinschaftsleben und unter Umständen dem christlichen Geist des klösterlichen Lebens den Nährboden rauben und eine Verhärtung der Herzen bewirken.
Das Gelöbnis bei der Hl. Profess ist noch kein Garantieschein, dass die evangelischen Tugenden ein Leben lang im Einzelnen wirklich auch lebendig sind. Diese Tugenden müssen immer wieder genährt werden durch den guten Willen und das redliche Bemühen des Einzelnen. Und wenn der Mensch sich wirklich Mühe gibt, dann gibt der liebe Gott auch seinen Segen und seine Gnade. Haben wir doch in der Lesung den Spruch des Herrn gehört: Ich werde sein wie der Tau für Israel.
Auf diesen Tau Gottes haben die vielen Generationen von Mönchen in diesem Kloster wohl immer vertraut. Und auf diesen Tau vertrauen auch wir heute in dieser oft sehr widersprüchlichen und durchwachsenen Welt.
Der Tau fällt in der Nacht, während es dunkel ist, und wir nur wenig oder gar nichts davon spüren. Er fällt unscheinbar, während die Erde ruht und er erfrischt das Land. So tut Gott sein Werk unter uns und wir nehmen oft kaum davon Notiz. Trotzdem schickt er uns aber den Tau, der seinem ewigen Morgen vorangeht, den Hl. Geist.
Wir alle sind ins Kloster gegangen, um in einem unmittelbaren Dialog mit Gott unseren Weg zu gehen. Dieser gemeinsame Lebensweg darf aber innerhalb der klösterlichen Gemeinschaft nie zu einem sterilen Nebeneinanderher werden, vielmehr soll er immer geprägt sein von einem lebendigen und spannenden Miteinander. Die Grundlage dafür ist, dass wir immer aufmerksam das Wort Gottes hören und es in uns aufnehmen und vertiefen. Denn dieses Wort ist der Sauerteig unseres Lebens: Es lässt einen guten und festen Willen wachsen und gedeihen / und es erneuert die Bereitschaft zum Dienst im Opus Dei und zum Dienst an den Mitbrüdern im Kloster und den uns übertragenen Aufgaben. In dieser Weise handelt Gott an uns Menschen durch seinen Geist. Immer wieder hat er über die Jahrhunderte den Glauben, die Hoffnung und die Liebe in diesem Kloster neu aufblühen lassen und lebendig gemacht. Auch wenn es dann gelegentlich trockene und harte Zeiten gegeben hat, immer wieder hat sich im Kloster der Wille und die Bereitschaft der Mönche durchgesetzt, ihren Versprechen treu zu bleiben und als willige Gefäße der göttlichen Gnade auf den Weg des geistlichen Lebens den je nächsten Schritt zu tun.
Wichtig ist, dass wir uns immer einen offenen und liebenden Blick füreinander bewahren, denn auch im Kloster gilt: die von Gott genährte Liebe ist das Band, das alles zusammenhält!
Liebe Mitbrüder, wenn wir in diesem Bemühen miteinander unser Leben gestalten und in kleinen Schritten den Weg unserer Berufung treu gehen, ohne uns innerlich zu verweigern, dann kommt dieser Tau Gottes über uns und tut seine Wirkung. Und dann können wir frohen Herzens und gelassen unsere Berufung leben und dann sind wir, gemäß dem Spruch des Herrn im heutigen Evangelium, nicht fern vom Reich Gottes.

Amen