Gedanken zum Advent

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Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er unterweise uns in seinen Wegen, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. (Jes 2,3)

Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe. Darum lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts! (Röm 13,12)

Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet. (Mt 24,44)

Diese Worte sind den Lesungen und dem Evangelium des ersten Adventsonntags entnommen. Sie führen uns in den zweifachen Sinn dieser Zeit hinein: Als Vorbereitung auf das Geburtsfest Jesu Christi, damit als Erinnerung an sein erstes Kommen, und zugleich als Besinnung auf seine Wiederkunft.

Wir finden unser Leben ausgespannt zwischen Hoffnung und Erfüllung vor, in der Sehnsucht nach Ankommen, Heimat und Angenommensein, nach guten Tagen und Frieden. Trotz aller Erfahrungen, die dem zuwiderlaufen, kennzeichnet die Hoffnung auf die Erfüllung des Lebens unser Dasein. So sind und bleiben wir Wartende und Hoffende. Das ist der menschliche Advent.

Doch ebenso lehrt uns immer wieder die Erfahrung: Auf uns allein gestellt schaffen wir es nicht, unserer Hoffnung eine bleibende Heimat zu geben, die uns im Frieden birgt und hält. Was wir um unser selbst willen an menschlicher Heimat brauchen, vermögen wir uns letzten Endes nicht selbst zu geben. Und dennoch: In der gleichsam ausgestreckten Hand werden unsere Hoffnung und das Warten auf ihre Erfüllung sichtbar. Die liturgischen Texte des Advents nehmen diese Erfahrung auf und stellen sie in die Begegnung mit Gott hinein.

Die Zeit des Advents ist von daher wieder neu die Zeit des Erwachens zu sich selbst. Was in unserem Dasein fraglich und bedürftig ist, soll nicht beiseitegeschoben, verdeckt oder schöngeredet werden. Vielmehr gilt es, sich all dem zu stellen und es anzunehmen. Der Advent ist eine Zeit der Forderung nach dem Üben von Selbsterkenntnis. Die liturgischen Texte sagen uns: Wenn du nicht bei dir selbst und in deiner “kleinen“ Welt verharren, wenn du im Leben nicht erstarren und für immer mit deiner Hand ins Leere greifen willst, dann brich auf und wage den Schritt über dich hinaus und in die Begegnung mit Gott hinein.

Das ist in den Büchern der Heiligen Schrift das Lebenszeugnis all jener, die das auf sich genommen und es erfahren haben: Erst wenn er über sich hinausgeht und auf Gott zugeht, kommt der Mensch zu sich selbst. Denn unsere Sehnsucht nach dem wahren und guten Leben, unser Glauben, Hoffen und Lieben ist im Letzten durchsichtig auf Gott hin. Wir sind der Erfüllung bedürftig.

So ist der Advent im Kirchenjahr auch die Zeit der Verheißung. Er gibt unserem menschlichen Advent die Verheißung, dass wir das Stillen unserer Sehnsucht und die Erfüllung unserer Hoffnung nicht auf uns allein gestellt zu schaffen brauchen: Gott kommt uns in Jesus von Nazareth menschlich entgegen. Das ist der Advent Gottes. Jesus Christus ist sein „Ebenbild“, wie es der Apostel Paulus sagt (vgl. Kol 1,15) – in seinen Worten und Taten strahlt Gott auf. Seine Worte sind in der Erfahrung der Jünger „Worte ewigen Lebens“ (Joh 6,68). Weil Jesus sie „Freunde“ nennt (vgl. Joh 15,15), weil seine Liebe bedingungslos ist und unserer Liebe schon immer zuerst entgegenkommt, können wir sagen: Er ist die Freundschaft Gottes mit uns. Wir sehnen uns nach der Erfüllung des Lebens und Gott sehnt sich nach der Freundschaft mit uns: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ (Joh 10,10)

Die Zeit des Advents ist also die Zeit der Verheißung, dass Gott uns entgegenkommt, nicht die Zeit der Erfüllung. Wir feiern zu Weihnachten nicht die Vollendung von Welt und Mensch, sondern die Menschwerdung Gottes. Gott bleibt der Gott der Verheißung. Die kirchliche Zeit des Advents sagt unserem menschlichen Advent: Wer das Wagnis des Glaubens auf sich nimmt, über sich hinauszugehen und sich dem Segen des immer entgegenkommenden Gottes in Jesus Christus anzuvertrauen, dem werden die Bedrängnisse und Lasten seines Daseins nicht weggenommen, aber Furcht und Verzagtheit verwandeln sich in Vertrauen und Hoffnung, eine innere Kraft, die allen Widerfahrnissen standhält. Und darin steigt leise eine Ahnung auf, dass wir im Letzten zur ewigen Freundschaft mit Gott berufen sind.

P. Gregor Schwabegger OCist